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Hermann Eigner und seine Polliwagen

Erstes GfK-Experimentalflugzeug in Österreich


Flugzeuge gebaut haben viele von uns. Aber nur wenige sind so tief in die Materie eingedrungen, haben alle Erfahrungen selbst gemacht und auch weitergegeben und haben so viel erlebt wie Hermann Eigner. Er hat das erste Experimentalflugzeug Österreichs in GfK-(Glasfaser-)Bauweise 1982 begonnen – damals gab es den Igo Etrich Club noch gar nicht - und nach sieben Jahren fertiggestellt. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt hat dieses Projekt nicht nur aufsichtsbehördlich begleitet (wie alle anderen auch), sondern es hat die Erfahrungen von Hermann zur Erarbeitung allgemeiner Richtlinien für den GfK-Bau herangezogen. Es kommt nicht oft vor, daß eine Behörde auf die Erfolge und Misserfolge eines Amateurs zurückgreift um diese in ein Regelwerk einzuarbeiten.

Obwohl ihm fertig ausgearbeitete Pläne vorlagen, mußte (oder wollte) er viele Detailkonstruktionen und Festigkeitsberechnungen selbst durchführen. Und das betraf durchaus wesentliche Teile der Maschine wie Holm, Leitwerk oder Fahrwerk.

Unser Club veranstaltet bekanntlich mehrmals im Jahr Workshops, in denen Fachleute aus der Luftfahrtbranche Vorträge halten. Das Niveau dieser Veranstaltungen ist hoch und sie sind immer gut besucht. Begonnen hat die Reihe mit Hermann Eigner, als er die Clubkameraden mit den Einzelheiten der GfK-Bauweise vertraut machte. Was er sich an know how erarbeitet hat, das steht heute allen zur Verfügung.

Die Maschine ist ein europäisches Unikat, mit ihr hat er den ganzen Kontinent bereist und natürlich viele Amateurbauertreffen besucht. Viermal wurde das Flugzeug in der Schweiz ausgezeichnet (best homebuilt, most interesting plane etc.) und einmal in Italien.

Die Erfolgsgeschichte ist aber auch von Rückschlägen gezeichnet.
Während der letzten Erprobungsphase 1990 fliegt er mit seiner Schwester übers Mühlviertel, als  das Ding zu schütteln beginnt wie ein nasser Hund. Die Kabinenhaube geht sofort zu Bruch. Notlandung mit eingezogenem Fahrwerk auf der nächsten Wiese. Und wie es der Teufel will, erwischt eine Flügelspitze ein Erdloch und wirbelt das Flugzeug einmal herum. Die Schäden an Besatzung und Maschine halten sich in Grenzen. Hermann hat sich einen Wirbelbruch zugezogen, der glücklicherweise wieder ausgeheilt ist, und am Flugzeugrumpf ist einiges zu reparieren, zudem fehlt neben der Kabinenhaube noch ein Propellerblatt. Daher die brutalen Vibrationen vor der Notlandung.

Der amerikanische Mahagoni-Propeller war nicht ausreichend dimensioniert: Die drei Blätter steckten mit ihrem walzenförmigen Schaft in der Nabe. Die Nabe hatte in der Aufnahme eines jeden Propellerblattes zwei umlaufende Rillen. Diese hielten das Blatt, das mit entsprechenden umlaufenden Wülsten genau in die Aufnahme der Nabe passte. Bei laufendem Motor waren diese Wülste auf Scherung (in Faserrichtung) beansprucht, was im Falle Hermanns genau 44 Flugstunden lang hielt.

Und weil er schon beim Reparieren des Rumpfes war, beschloß er, den Grund für die leichte Instabilität der Maschine um die Hochachse zu  beseitigen. Das geht „ganz einfach“ indem man den Rumpf verlängert. Tatsächlich handelt es sich aber um einen groben Eingriff in die Konstruktion und um sehr viel Arbeit. Bis die längere Maschine fertig war, vergingen 3 Jahre und 2.500 Arbeitsstunden.

Die zusätzlichen 70 cm verbesserten das Roll- und Flugverhalten spürbar. Das ist auch kein Wunder, denn der eingebaute Lycoming O-235 brachte mit seinen 115 PS die ganze Konstruktion näher an ihre Grenzen. Vom Konstrukteur vorgesehen war ein amerikanischer Revmaster mit 76 PS (ein adaptierter VW-Boxer). In den Plänen findet sich unübersehbar an prominenter Stelle die Warnung, dass man „unter keinen Umständen“ einen Motor mit mehr als 160 PS einbauen dürfe. Offenbar waren 115 PS für den kurzen Rumpf schon fast zu viel.

Und das Aussehen des Flugzeuges gewann natürlich auch. Seit ihrer Verlängerung hieß die Maschine „Supernova“.

Dann das fatale Ereignis nach ca 500 Flugstunden:
Es wird keinen zweiten Piloten geben, der von sich behaupten kann, auf einem Wirtshaustisch gelandet zu sein. Hermann ist das Kunststück gelungen und es war wohl auch weniger ein Kunststück als vielmehr eine veritable Bruchlandung.

Bekanntlich kursiert unter Fliegern der einfältige Spruch: Jede Landung, nach der man die Maschine oder was immer von ihr übrig sei, auf eigenen Beinen verlassen könne, wäre eine geglückte Landung. Demnach hatte Hermann doppelt Glück, denn aus dem Rest-Cockpit auf dem Wirthaustisch im Gastgarten kletterte nicht nur er, sondern auch Andreas, sein Sohn – beide ohne einen blauen Fleck. Die Maschine hatte vor dem Aufsetzen die Flügel verloren, dafür sorgten die schattenspendenden Bäume des Gastgartens. Dann knallte sie auf den Biertisch, wobei das Heck abbrach.

Der kroatische Wirt zeigte sich jedenfalls erleichtert, daß der Flieger nicht ein paar Minuten früher gekommen war, denn da wären noch Gäste herumgesessen. So hielt sich der Schaden für ihn in Grenzen. Hat er den Tisch halt für zwei Gäste abgewischt, die gleich samt Flugzeug darauf Platz nahmen.

Hermann erzählt das jedem ziemlich emotionslos, jedenfalls ohne Groll über den Verlust seiner wertvollen Maschine und ohne Scham über seinen unverzeihlichen Pilotenfehler. Tief drinnen ist er vermutlich mehr als dankbar, das unbeschadet überlebt und auch sonst keine Verletzungen verursacht zu haben. Er wäre mit seiner Story und den Bildern locker auf die Titelseiten der internationalen Presse und in die Abendnachrichten aller wichtigen Fernsehsender gekommen, aber das war ihm offenbar kein Anliegen. Er neigt nicht zur Show, nicht einmal zur Übertreibung. Immerhin war der Unfall einer kroatischen Zeitung zwei Seiten wert.

Vrsar, wo diese Bruchlandung stattfand, liegt an der Westküste Istriens direkt am Meer. Dort herrschen andere, vor allem unberechenbarere Windverhältnisse als im österreichischen Flachland. Hermann und Andreas kommen von der Seeseite und kurz vor der Piste drückt der Wind die Maschine spürbar nach unten. Der Pilot gibt Gas, das Flugzeug setzt trotzdem vorzeitig auf und springt in die Höhe. So etwas kommt vor, aber dieser Sprung ist eher hoch. Ein zweiter Sprung und dann schaut es so aus als würde die Piste zum Landen nicht mehr ausreichen. Also durchstarten. Ein Manöver, das er seit der PPL-Prüfung eigentlich nicht mehr geübt hat.

Die Entscheidung ist aber falsch, denn das Flugzeug fliegt schon zu langsam. Es gerät in den sogenannten Sackflug: die Nase ziemlich weit nach oben, die Geschwindigkeit zu gering zum Fliegen, aber ausreichend um auf dem Luftpolster in unmittelbarer Bodennähe zu schweben – allerdings unkontrollierbar, regelrecht steuerlos. Unterhalb seiner Mindestgeschwindigkeit läßt sich ein Flugzeug eben nicht mehr steuern. So trägt es der Wind in den Gastgarten direkt neben der Piste.
 
Das war im Juni 2014 nach rund 500 Flugstunden das Ende der „Polliwagen“, der einzigen in Österreich. Der Name setzt sich zusammen aus polliwog (englisch für Kaulquappe) und Volkswagen (weil die Maschine für einen umgebauten VW-Motor konstruiert ist.) Für diese Type wurden weltweit zwar über 2.000 Baupläne verkauft, aber die wenigsten Käufer brachten ihre Maschine auch in die Luft. Hermann war einer von ihnen.

Die Story seiner Polliwagen hat Hermann übrigens in der amerikanischen „Sport Aviation“ veröffentlicht. (Ausgabe September 2009. Das ist die Zeitschrift der Experimental Aircraft Association, des Igo Etrich Clubs der Vereinigten Staaten.)  

Das Projekt Polliwagen geht zurück noch vor die Anfangszeit des Igo Etrich Clubs. Hubert Keplinger hatte ihn auf diese Maschine aufmerksam gemacht. Daraufhin kaufte Hermann um 75,- Dollar die in Kalifornien hergestellten Pläne („Mehr waren sie auch nicht wert.“) und freute sich auf 500 Stunden Bauzeit. Tatsächlich wurden es deutlich mehr als 6.000 Stunden. Auch die angegebenen 150 kt Reisegeschwindigkeit erwiesen sich als kräftig übertrieben.

Kurz darauf – im Jahr 1987 – wurde der Igo Etrich Club gegründet, Hermann war eines der Gründungsmitglieder. Er wurde zum Kassier ernannt und das ist er bis heute (Stand 2019).

Weiters ist er seit vielen Jahren Österreichicher Delegierter der CIACA (Experimental Comm der FAI – siehe www.fai.org/commission/ciaca) und EFLEVA (Europäische Vereinigung f. Light-Experimental-, u. Vintage Aircraft – siehe www.efleva.eu).

Das Traumflugzeug: Lancair 235

Gründungsmitglied des Clubs – ohne Flugzeug? Es wäre irgendwie schade um die reichen Erfahrungen, die Hermann gesammelt hat.
In der Phase nach der Bruchlandung, in der die Gedanken zwischen Aufgabe der Fliegerei und Neubau hin und herschwankten, erzählte ihm Wolfgang Streitwieser von einer bauchgelandeten Lancair235, die in Bayern zu einem fairen Preis zu haben wäre. Somit haben sich seine Gedanken sofort in eine Richtung fokussiert, nach Besichtigung wurde kurzerhand der Beschluss gefasst und gekauft. Das war schon Mitte der 80er sein Traumflugzeug, als der Bausatz erstmals angeboten wurde. Damals war der Bau der Polliwagen schon fortgeschritten und auch die finanziellen Mittel für den Bausatz nicht vorhanden.

Die Schäden von der Bauchlandung waren nicht gross, aber die Bauausführung war nicht zufriedenstellend. Daher wurde alles bis auf die Struktur ausgeräumt und neu gemacht (gesamte Elektro- und Hydraulikinstallation, Motor zerlegt und geprüft, neue Propellerblätter, Cowling, Armaturenbrett, Teillackierung, Sitze) Alles in allem: 2000 Arbeitsstunden in 2 Jahren. Seit zwei Jahren fliegt er mit dieser wieder aufgerüsteten Maschine. Die Erprobung ist abgeschlossen und im Juli 2018 wurde die Lancair zugelassen. Nun fliegt er mit seinem Traumflugzeug. Der Weg bis dahin war zwar mühsam und zeitweise sicher auch frustrierend, aber letztlich hat er sich gelohnt.

Auch Hermann Eigner war die Liebe zur Fliegerei in die Wiege gelegt worden. Sein Vater flog noch im Krieg als Segelflieger am Spitzerberg. Die Leidenschaft scheint Hermann also geerbt zu haben. Er begann Bücher über die Jagdfliegerei zu studieren und machte bei erster Gelegenheit den Pilotenschein für Motorsegler. Zwei Jahre später folgte die Privatpiloten-Lizenz.

Sein Beruf hat die Ausübung dieser Leidenschaft jedenfalls begünstigt. Wahrscheinlich hat er aus gutem Grund die HTL für Elektrotechnik gewählt. Die dort erworbenen Kenntnisse sind beim Bau eines Flugzeuges äußerst wertvoll. Gelandet ist er schließlich bei Philips in der Medizintechnik, ein Job, den er seit 1985 macht.

Die Maschinen

Kennzeichen: OE-CHE
Type: Polliwagen
Max. Abfluggewicht: 650 kg
Spannweite: 7,86 m
Bauweise: PU-Schaum/GfK-sandwich-Bauweise
Motor: Lycoming O-235
Hubraum: 3.800 ccm
Treibstoffverbrauch: 23 l/h
Leistung: 115 PS
Propeller: Prince, ersetzt durch Haberhofer/Sattelhack
Erstflug: 1989, Version Supernova: 1993

Die Neue:

Kennzeichen: OE-CEH
Type: Lancair 235
Max. Abfluggewicht: 665kg
Spannweite: 7,16m
Bauweise: GfK
Motor: Lycoming O-235F2B
Hubraum: 235 cuinch (3,8 l)
Treibstoffverbrauch: 24 l/h
Leistung: 125 PS
Propeller: Eigenbau
Erstflug: September 2016