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Österreichs erster Träger der Bleriot-Medaille: Wilhelm Lischak

Er hat einfach zu nahe zum Flugplatz Vöslau gewohnt. Da mußte er sich irgendwann mit der Begeisterung für das Fliegen anstecken. Die Karriere nahm zuerst den üblichen Weg: Modellflug, Segelflug, Privatpilotenschein – und führte Willi Lischak dann zum Selbstbau von drei Flugzeugen. Außergewöhnlich sind viele Details seiner Laufbahn, wie: mehrere Vize-Staatsmeisterschafts-Titel im Fesselflug, die Konstruktion der selbstgebauten Maschinen am Wohnzimmertisch zu Hause sowie das Erfliegen etlicher Weltrekorde. Einige sind bis heute noch nicht überboten worden.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde der 1938 geborene Modellflieger Wilhelm Lischak
im Badener Volksblatt vom 4. Juli 1959. Dieses würdigte ihn als den erfolgreichsten Fesselflieger der ganzen Staatsmeisterschaft, die damals in Salzburg ausgetragen wurde. Für die beste Allgemeinleistung erhielt er den Pokal der Salzburger Landesregierung.

In Wahrheit träumte er natürlich immer schon davon, selbst im Flugzeug zu sitzen. Zuerst in einem Segelflugzeug. Im Jahr 1972, er hatte noch kaum richtig begonnen, da traf ihn schon der erste Rückschlag, ein tragischer Unfall: Sein Bruder kam beim Zusammenstoß zweier Segelflugzeuge ums Leben. Die Familie, vor allem die Eltern, hätten es am liebsten gesehen, wenn Willi mit der Fliegerei aufhört. Doch seine Frau Jacky wußte, daß Willi diese Leidenschaft nicht aufgeben würde. Sie bestärkte ihn darin, in Zukunft statt mit Segelflugzeugen mit Motormaschinen zu fliegen. Der Name Jacky steht übrigens nicht, wie man vermuten würde, für Jacqueline, sondern ist eine Abkürzung ihres Mädchennamens.

Zu der Zeit, als Willi mit dem Lernen für den Privatpilotenschein anfing, entstand auch das Einfamilienhaus in Vöslau, in mühsamer Handarbeit natürlich. Plötzlich stand das Paar vor der finanziellen Entscheidung: Dachstuhl oder PPL. Mit verstärktem Arbeitseinsatz ließ sich aber beides verwirklichen. Im Lauf der Zeit kamen der Berufspilotenschein, die Instrumentenflugberechtigung und die Lehrberechtigung dazu.

Aus der Zeit als Modellflieger kannte er den 14 Jahre älteren Ing. Alfred Riekmann, mit dem er den Bau des ersten Flugzeuges begann. Die beiden beschafften sich die Pläne einer zweisitzigen Ermeraude CP 301 und stellten die Maschine in drei Jahren fertig. Die  CP 301 brachte Jacky und Willi zu ihrem zehnten Hochzeitstag nach Bergen in Norwegen. Tragischerweise verunglückte Ing. Riekmann im Jahr 1989 mit der Emeraude nahe Vöslau.

Willi hatte damals längst begonnen, den größten seiner Träume zu verwirklichen, die Konstruktion einer ganz neuen Maschine. Klein, billig und leistungsfähig sollte sie sein. Ein einsitziger Tiefdecker in Holzbauweise mit dem frisierten Motor eines Puch-Haflinger. Willi hatte in der HTL Feinmechaniker gelernt. Das qualifiziert einen vielleicht zum Bau eines Flugzeuges – aber nicht zum aufwendigen Berechnen der Konstruktion. Die reine Rechnerei wäre noch nicht das Problem gewesen, vielmehr die Frage: Was muß ich überhaupt berechnen und woher bekomme ich die notwendigen Formeln? Die lieferte sein ebenfalls in Vöslau wohnhafter Freund,  Ing. Rüdiger Kunz. Er ist so etwas wie die graue Eminenz der österreichischen (und deutschen) Luftfahrt; er hat an den Konstruktionen von Airbus und Eurofighter maßgeblich mitgearbeitet. Mit seiner professionellen Unterstützung ließ sich das Projekt LW 01 beinahe verwirklichen. Die Maschine war schon in Bau, da bemerkte Willi einen Fehler in der Grundkonzeption:  Die Flügel ließen sich nicht abnehmen. Das Projekt wurde kurzerhand verworfen und durch die LW 02 ersetzt. Diese flog schließlich, und wie!

Gute 95 Flugstunden hat allein die Erprobung gebraucht. Dann flog Willi etliche Rekorde, meist Flüge, die einen ganzen Tag beanspruchten. Nach 220 Flugstunden übergab er sie aus Altersgründen dem Luftfahrtmuseum in Wiener Neustadt.
Sehr viel mehr als die Rekordflüge hat die LW 02 leider nicht unternommen.

Der spektakulärste war sicher der 1.527 Kilometer lange nonstop-Flug von Vöslau nach Brest. Brest ist der westlichste Flugplatz, den man in Frankreich anfliegen kann. Es folgten diverse Geschwindigkeits- und Langstrecken-Rekorde in der Klasse unter 300 kg Abfluggewicht (z. B. 193,83 km/h über 1.000 km und 2.702,16 km nonstop-Flug zwischen Schärding und Wels).

Was ist nun das Geheimnis, dieser geborenen Sieger-Maschine? Wahrscheinlich ist es gar kein Geheimnis, sondern das Ergebnis konsequenter Arbeit zweier Flugbegeisterter. Sie hatten sich einfach die Mühe gemacht, ein winziges Flugzeug mit derselben Sorgfalt zu konstruieren, wie man sie für kommerzielle Maschinen aufwendet. Und die Entschlossenheit des Erbauers, das Ding auch dorthin zu bringen, wo er es haben will.

Man sieht an der Projektbeschreibung, daß ursprünglich ein Einrad-Fahrwerk vorgesehen war. So wurde die Maschine auch gebaut. Während der ersten Rollversuche in Schwechat stellte sich aber rasch heraus, daß sich das Flugzeug kaum wirkungsvoll lenken ließ. Bei einem dieser Versuche überfuhr der Vogel eine Rollweg-Begrenzungsleuchte und zerstörte sie. Das war dann das Ende dieser Konzeption. Willi montierte in der Folge ein herkömmliches Zweibein-Fahrwerk und die Probleme mit der Richtungsstabilität am Boden waren behoben.

Der Motor erwies sich mit seinen 27 PS als zu schwach. Also bekam er VW-Zylinder, was den Hubraum von 650 auf 752 ccm steigerte, und eine Doppelzündung. Zwei Vergasertypen wurden erprobt und verworfen, bis der dritte endlich die gewünschten 36 PS aus dem Triebwerk herausholte. Nach Behördenvorschrift hatte der Motor am Boden zwei Stunden lang mit höchstzulässiger Dauerdrehzahl zu laufen. Den Test bestand er problemlos.

Die Maschine hat vieles vorweggenommen, was sich in den folgenden Jahren in der Ultraleicht-Szene  durchsetzen sollte. Sie hätte das Zeug dazu gehabt, stückzahlmäßig ein größerer Erfolg zu werden. Aber Willi wollte die Pläne nicht verkaufen. Er wollte auch den Prototypen nicht verkaufen. Einfach aus der Überlegung heraus – wenn mit dieser Maschine oder durch irgendeine Eigenheit seiner Konstruktion jemand zu Schaden kommen sollte, dann könnte er das nicht verantworten und damit nicht leben. Daher flog der Vogel ins Museum. Interessenten für die Konstruktion hat es gegeben, auch aus Amerika....

Doch der Nachfolger war schon geplant: Eine ähnliche Konstruktion, etwas größer, mit Rotax-Motor für zwei Personen, mit der Bezeichnung „LW 03“. Auch diese Maschine hat bewiesen, daß sie exzellent fliegen kann. Beim Ausrollen nach der ersten Landung kam sie leider von der Asphaltpiste ab, rollte ins Gras, erwischte eine kleine Senke und überschlug sich. Personenschaden gab es nicht, aber am Flugzeug wäre viel zu reparieren gewesen. Das wollte sich Willi dann nicht noch einmal antun und so steht der Flieger in seiner Garage, die eigentlich immer schon mehr ein Hangar war.

In seiner letzten Zeit als aktiver Pilot ließ er sich noch einmal breitschlagen, die neugebaute, exotische Maschine eines Kollegen einzufliegen. Es handelte sich um einen Prescott Pusher, einen Viersitzer mit 210 PS, Druckpropeller und Instrumentenflugausrüstung. Der erste Start verlief völlig problemlos, doch beim zweiten Start kam die Maschine nicht mehr aus dem Bodeneffekt und fiel zurück auf die Piste. Was übrigblieb, war nahezu ein Totalschaden. Das Ding hatte Probleme mit dem Schwerpunkt und brauchte einigen Ballast um überhaupt zu fliegen.

Willi sah dieses Ereignis als Zeichen, auf weitere Erfahrungen dieser Art besser zu verzichten. Er hat genug Rekorde erflogen und damit sich selbst und anderen bewiesen, was ein flugbegeisterter Mensch mit Durchsetzungsvermögen, Ehrgeiz, eisernem Willen und einer verständnisvollen Ehefrau alles erreichen kann. Und die Louis Bleriot-Medaille hat er auch bekommen, als erster Österreicher übrigens. Das muß ihm erst einmal jemand nachmachen.

 

Die Maschine
Kennzeichen: OE-CLW
Type: LW-02
Max. Abfluggewicht: 300 kg
Spannweite: 5,40 m
Bauweise Rumpf: Holz-Fachwerk, GFK-Verkleidung,  stoffbespannt
„     Flügel: Holzholme, Hartschaum, GFK. Profil: Wortmann
Motor: 4-Takt Puch 650 mit VW-Zylindern und Doppelzündung
Hubraum: 752 ccm
Treibstoffverbrauch: 4,8 l/h bei 178 km/h
Leistung: 36 PS
Propeller: Holz/ GFK, Eigenbau
Erstflug: 13. September 1985